Strategien auf Landesebene: Wie Bundesländer die Zukunft planen

Armut bekämpfen, gesundes Leben ermöglichen, Klimaschutz voranbringen – die meisten Bundesländer haben Strategien entwickelt, um die nachhaltige Entwicklung voranzubringen. Aber was heißt das genau?

Sie ist ein Auftrag zum Umbau auch in Deutschland: Die Agenda 2030 mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen. 2015 hatte sich die Weltgemeinschaft in New York unter anderem dazu verpflichtet, Armut und Ungleichheiten zu beseitigen, Umweltzerstörung und Klimawandel zu bekämpfen. Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung orientiert sich schon seit 2016 an der Agenda 2030, soeben ist eine Neufassung erschienen. Aber: Was tut sich in den 16 Bundesländern, etwa bei der Sicherung von Arbeitsplätzen, der Bildung, dem Klimaschutz? Kurzum: Der Föderalismus schafft ein großes Labor der Nachhaltigkeit.

Denn: Schon 2019 haben die Regierungschefinnen und -chefs von Bund und Länder erklärt, „gemeinsam den Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft noch energischer“ vorantreiben zu wollen. Und egal ob Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen – sie und die meisten anderen Länder haben längst eigene Pläne, wie sie ihre Politik an den 17 globalen Zielen ausrichten. Mecklenburg-Vorpommern will in diesem Jahr eine Strategie verabschieden. Dann fehlen nur noch Strategien in den Stadtstaaten Berlin und Bremen. (Eine Übersicht aller Länderstrategien und Kurzporträts finden Sie hier.)

Nicht alle Länder nennen ihren Ansatz „Nachhaltigkeitsstrategie“ und haben sich wie der Bund konkrete Ziele gesetzt, die mit Indikatoren unterfüttert sind. Hamburg beispielsweise hat bisher nur einen „Fahrplan“ entwickelt. Allen 13 Ländern geht es aber darum, die für sie entscheidenden Handlungsfelder zu benennen, um die globalen Ziele auf regionaler Ebene zu konkretisieren und umzusetzen. Näher beleuchten wollen wir anlässlich der Neuberufung eines Nachhaltigkeitsbeirats im Februar 2021 im Folgenden die Strategie des Landes Brandenburg.

Regionaler Plan gegen Armut

Alle Strategien der Länder beschäftigen sich mit dem Nachhaltigkeitsziel 1 „Armut in all ihren Formen und überall bekämpfen“. In der umfassend angelegten Brandenburger Nachhaltigkeitsstrategie – 60 Seiten, 17 Ziele, 33 Unterziele – ist Ausgangspunkt der Überlegungen unter anderem die Zahl der Langzeitarbeitslosen. Brandenburg hat einen im Bundesvergleich hohen Anteil an Langzeitarbeitslosigkeit. Langzeiterwerbslose und ihre Haushalte seien „überdurchschnittlich armutsgefährdet“. Darum sei es „wesentlich, benachteiligte Gruppen, insbesondere Langzeitarbeitslose, in Erwerbstätigkeit zu integrieren“. Die Langzeiterwerbslosenquote solle verringert werden.

Genannt ist wie bei allen anderen Zielen auch „der Gestaltungsspielraum der Landesregierung“ (hier: Integration benachteiligter Gruppen in Erwerbstätigkeit als Förderschwerpunkt beim Europäischen Sozialfonds sowie „gute Arbeit für Brandenburg in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern“ voranbringen). Und der „Gestaltungsspielraum anderer brandenburgischer Akteure“, etwa der Jobcenter und Unternehmen.

Insgesamt hat aber jedes Land seine eigenen besonderen Herausforderungen und adressiert diese auf eigene Weise: Eine niedrige Bevölkerungsdichte ist zum Beispiel eine Eigenschaft, die auch Brandenburg betrifft. Von allen Bundesländern ist nur Mecklenburg-Vorpommern noch dünner besiedelt. Auch wenn Brandenburg inzwischen nicht mehr nur im Speckgürtel von Berlin, sondern mittlerweile auch in gut angebundenen Städten wächst, bleibt die Bevölkerungsdichte mit 85 Einwohner*innen je Quadratkilometer gering. Daraus ergeben sich einige Herausforderungen, zum Beispiel in der medizinischen Versorgung in den sehr dünn besiedelten ländlichen Gebieten weitab der größeren Städte.

Hausärzt*innen landesweit

Christian Wehry von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg erklärt: „In entlegenen Gebieten könnten schon 2030 mehr als 80 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre und älter sein.“ Entsprechend viel zu tun gäbe es dort für medizinisches Personal. Dabei versorge schon heute ein Hausarzt oder eine Hausärztin in Brandenburg im Schnitt so viele Patienten wie nirgendwo sonst im Bundesgebiet. Laut der Nachhaltigkeitsstrategie – Ziel 3 „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“ – sollen Krankenhäuser im ländlichen Raum darum zu „modernen, Sektoren übergreifenden Gesundheitsanbietern“ umgebaut und die Arztdichte stabil bleiben oder gegebenenfalls gesteigert werden.

Doch für Brandenburg spielt die Entwicklung des ländlichen Raums auch jenseits der Gesundheitsversorgung eine große Rolle. Das derzeit rot-grün-schwarze Regierungsbündnis in Potsdam will daher zum Beispiel auch die Beteiligung von Frauen in Kommunalparlamenten und dem Landtag steigern, Breitbandverbindungen ausbauen oder die Lebensmittelverschwendung bekämpfen.

Energiewende überall

So zugeschnitten die Pläne der Bundesländer auf die Gegebenheiten vor Ort sein mögen – Energiewende und Klimaschutz setzen im Grunde alle als Schwerpunkt. Auch Bildung für nachhaltige Entwicklung wird durchweg als besonders wichtig eingestuft. Meist werden die Nachhaltigkeitsstrategien der Länder aus den Umweltministerien koordiniert, aber die Staatskanzleien spielen in vielen Ländern mit ihrer Zuständigkeit für die allgemeine Regierungskoordination auch eine wichtige Rolle in Nachhaltigkeitsfragen. In Brandenburg ist seit 2020 die Staatskanzlei für die dortige Nachhaltigkeitsstrategie federführend.

Damit der Einsatz der Bundesländer für nachhaltige Entwicklung wirksam wird ist Lernen aus Erfolgen und Schwierigkeiten bei der Umsetzung wichtig. Dafür sei es sinnvoll, auf die wissenschaftliche Begleitung von Nachhaltigkeitsstrategien insgesamt oder zumindest von spezifischen Maßnahmenpaketen zu setzen, so die stellvertretende Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Prof. Dr. Imme Scholz. „Auch Nachhaltigkeitsräte auf Landesebene können für diesen Lernprozess hilfreich sein, eine gute Datenlage wäre aber in jedem Fall notwendig”, sagt sie. Denn: „Schon die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden die Länder dazu zwingen, ihre Maßnahmen zu adjustieren. Ein datengestützter Blick auf das, was bisher mit welchen Mitteln erreicht werden konnte, wird dafür unerlässlich sein.“